Presse

SCHRECKEN DES KRIEGES

Ratingen

Es war ein Abend der scharfen Kontraste, der Brüche – ein Abend der nachdenklich stimmte und berührte. Mezzosopranistin Gesine van der Grinten und Pianist Lucius Rühl hatten zu einem Liederabend unter dem Titel „ Schrecken des Krieges“ ins Stadtmuseum eingeladen. Passend zur derzeitigen Ausstellung des druckgrafischen Werks des spanischen Malers Francisco de Goya mit einer gleichnamigen Serie trugen die Musiker Lieder „ Von der Goya – Zeit bis heute“ – so der Untertitel- vor.“Mit der Verbindung von Musik und Bild wollen wir alle Sinne der Museumsbesucher ansprechen“ sagte Kunsthistorikerin Jeanette Petersen. Nur acht Zuschauer fanden am Freitagabend den Weg zum Liederabend. Daran hatte wohl auch der langanhaltende Schnee Schuld. Schade – die tollen Musiker hätten ein größeres Publikum verdient. Die Lieder hatten sie sorgfältig und wohlüberlegt zusammengestellt. Wie ein roter Faden zog sich durch das Programm das „Erntelied“, ein altes Kirchenlied. Eine nach der anderen waren die sechs Strophen in die Liederabfolge eingestreut. Mit der ersten begann das Konzert schwermütig und wehklagend. Die Angst vor der Zerstörung des Krieges wurde im Kehrvers „ Hüte dich, schön‘s Blümelein“ deutlich. Ein fast schmerzhafter Einschnitt war danach das Lied „ Die Trommel gerühret“ mit seiner fröhlichen Marschmelodie. Pianist Rühl gelang es dabei hervorragends, die Trommelschläge in seinem Klavierspiel zu imitieren. Auf dieses Lied voller Kriegseuphorie und Optimismus folgte als weiterer Bruch „ Zu Potsdam unter den Eichen“ mit einem Text von Bertold Brecht. Das Spannungsfeld zwischen Ideologie und Kriegspatriotismus und der hässlichen Realität, das den ganzen Abend durchzog wurde in diesem Lied besonders deutlich. Sängerin Gesine van der Grinten glänzte nicht nur mit ihrer kräftigen, klaren Stimme, sondern legte auch viel Gefühl in die Lieder. Das machte ihren Gesangsvortrag glaubwürdig. Fast schon schauspielerisches Talent bewies sie etwa bei der Darstellung der beiden Grenadiere in dem gleichnamigen Lied von Heine. Den Rahmen des Liederabends bildeten die Zeichnungen von Martin Lersch, dem Ehemann von Gesine van der Grinten, vor denen die Musiker auftraten. Lersch zitierte 21 Druckgrafiken von Goya. Den düsteren Zeichnungen, die meist Gewalttaten zeigen, stellte er jeweils ein farbiges Bild gegenüber., das eine friedlich Szene zeigt. So schafft Lersch Kontraste genau wie die beiden Musiker mit ihrem Programm.

RP 21.12.2009

DIE BLAUEN MOKASSINS

Kein Zeitvergehen in der alten Schalterhalle des Gocher Bahnhofs: die Uhr zeigte konstant vier Minuten nach eins. In diesem Stillstand, während eines imaginären Innehaltens strömte eine dramatische Musik durch den inzwischen als Atelier genutzten Raum, gefüllt mit Texten vom Endlichen und vom Verlust. Dicht gedrängt saß das Publikum im Halbrund vor den Künstlern und verlängerte durch sein Stillsein den Fluss des Zeitlosen.“ Warten Sie nicht, bis der Zug abgefahren ist“ mahnte ein alter Werbeslogan von „Pro Bahn“ und begleitete die Uraufführung der erstmals von Immo Schneider vertonten Gedichte des englischen Schriftstellers David Herbert Lawrence. Nicht zurückbleiben, der Zeit und ihren Neuerungen folgen – ein guter Ansatz für moderne Musik. D.H. Lawrence‘ Roman „Lady Chatterly“ zählt zweifellos zu einem der am meisten unter der Bettdecke heimlich gelesenen Bücher aller Zeiten. Als Lyriker ist er allerdings weniger bekannt. Übersetzungen ins Deutsche existieren nicht. Da traf es sich vorzüglich, dass Gesine van der Grinten, die Lawrence Lyrik sehr mag , und der in USA lebende Schneider, der Lawrence Shortstorys liebt, diese Gemeinsamkeiten entdeckten. Vor Weihnachten letzten Jahres, erzählt van der Grinten, schickt der Komponist ihr ein Päckchen mit Noten. Schneider hatte einen Zyklus von zehn Liedern für Mezzosopran und Klavier unter dem Titel „ The ship of death“ nach Gedichten des Autors vertont. Er hatte dazu einen persönlichen Grund- ein Freund war auf mysteriöse Art zu Tode gekommen. Entsprechend dramatisch und kraftvoll zeigte sich die Musik, die, von einem Verlust geprägt,einen Punkt sucht, an dem „ die lange Reise ins Vergessen“ endet. In konzentrierter Tondichtung bahnte sich das Todesschiff in der Uraufführung seinen Weg, begleitet vom Gesang Gesine van der Grintens und dem außerordentlich dramatischen Tastenspiel von Anja Speh. Das Klavier vor dem Fahrkartenschalter, ein kräftiges Blau als markante Innenraumfarbgestaltung, im Hintergrund Originalplakate und Hinweisschilder aus Bundesbahnzeiten – das Ambiente passte haarklein zu den Illustrationen, die Martin Lersch zur Kurzgeschichte „Die blauen Mokassins von D.H.Lawrence gezeichnet hatte. Die war zwar für eine shortstory recht lang, bekam aber durch die Rezitation von Gesine van der Grinten ein Maß an Ernsthaftigkeit und leisem Humor, dass die verinnende Zeit angenehm verkürzte. Eine sehr gut besuchte Veranstaltung, die das Museum Goch verantwortete und die ein Argument für den Fortbestand der Kulturtage lieferte.

NRZ 21.Mai 2010

ZIGEUNERLIEDER

Der 19.März wäre der 82. Geburtstag von Hans van der Grinten (1929-2002) gewesen, wie seine Tochter, die Mezzosopranistin Gesine Lersch – van der Grinten, zu Beginn des Liedervortrages der Konzertreihe „colla voce“im Schloss Moyland hinwies. Ohne ihn hätte es den Abend in der Form nicht gegeben. So widmete sich die hervorragende Sängerin sowie das Collegium vocale an St.Maria Himmelfahrt Wesel (Leitung Willem Winschuh) eine gute Stunde lang romantischen „Zigeunerliedern“. Als Partner agierte dabei Johannes Hombergen am Steinway – Flügel. Im ersten Teil sang van der Grinten sieben Zigeunermelodien op.55 von Antonin Dvorak. Akzentuiert arbeitete sie dabei die Stimmung der volksliedhaften Fantasien vom naturnahen, freien Zigeunerleben aus: „ In dem weiten, breiten, luft’gen Leinenkleide freier der Zigeuner, als in Samt und Seide“. Obschon der Saal hell erleuchtet blieb, stellte sich bald die intime Stimmung eines Liederabends ein. Bei der folgenden, durchkomponierten Ballade „Die drei Zigeuner“ von Franz Liszt (Nach einem Gedicht von Nikolaus Lenau) gelang es der Sängerin ausgezeichnet, die drei philosophischen Zigeuner darzustellen, die ihre Verachtung über das Leben kundtun. Nach der folgenden Pause eröffnete das über 40 Choristen starke Collegium vocale mit Robert Schumanns Zigeunerleben op.29 Nr.3 die zweite Hälfte. Neben teils optimistischer Tonsprache , teils in ruhigem Melos fließenden Melodiesträngen demonstrierte Winschuh mit seinem Chor ausgefeilte A – capella Tugenden. Es folgten zwei solistische Zigeunerliedchen Schumanns bei denen van der Grinten wiederum glänzte. Höhepunkt bildeten Johannes Brahms Zigeunerlieder op.103 im Zusammenwirken von Solistin und Chor, bei dem Johannes Hombergen mit ausgezeichnetem Spiel das instrumentale Fundament gab.

RP 22.03.2011

GOETHE – VERTONUNGEN

Gesine Lersch – van der Grinten (Mezzosopran) und Anja Speh (Klavier) arbeiten bereits seit 1995 regelmäßig zusammen. Mit einem besonderen Liedprogramm hatten sie nun zur Reihe“colla voce“ in den Zwirnersaal von Schloß Moyland eingeladen.Es ging um Goethe – Vertonungen: bekannte und weniger bekannte Werke zu Texten des wohl populärsten Dichters der deutschen Literaturgeschichte, der sich selbst Zeit seines Lebens mit dem „Inneren“ der musik, ihrem Wesen und ihrer Verbindung zum Wort auseinandersetzte. Die Texte wurden in unterschiedlichen, zum Teil sehr selten aufgeführten Vertonungen vorgestellt. Die Sanglichkeit Goethischer Verse verleitete nämlich viele Komponisten und vor allem auch Komponistinnen dazu, sie in Töne zu fassen, auch wenn Z.B.Mozart, dessen dramatische Szene des“ Veilchens“ das Konzert eröffnete, bei seiner Komposition garnicht wusste, dass es sich um Goethes Dichtung handelte. Es folgte Clara Schumanns gefühlvolle Version vom tragischen Tod des „herzigen Veilchen“ und das „Lied der Mignon“ in Varianten von Beethoven, Schubert,Wolf und – man staune- Tschaikowsky. Das berühmte Stück :“Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich leide“ zeugt inhaltlich von Goethes eigenem Seelenleben und bot Raum für die schlichte, gerade deshalb ergreifende und enorm ausdrucksstarke Interpretation des Duos. Lersch – van der Grintens raumfüllender Mezzo betonte das Lyrische, empfand das Tragische und wurde hervorragend untermalt von Spehs Klavierbegleitung, die sich weder in den Vordergrund rückte, noch unterging. Vom allgemeinen Wunsch nach Erlösung und Erkenntnis handelten „ Wanderers Nachtlied“ I und II, die vor der Pause in den Vertonungen von Charles Ives, Bettina von Arnim und Fanny Hensel, nach der Pause von Franz Schubert und Franz Liszt zu Gehör kamen. Gerade Schubert ist als Goethe – Komponist bekannt, jedoch blieb ihm die Anerkennung des Dichters versagt. „Zu romantisch“ , zu wenig klassisch war diesem die neue Tonsprache des Gefühls (…) Höhepunkt der Matinee war danach gerade Schuberts „ Gretchen am Spinnrad“. Wie hier die Klavierbegleitung das Spinnrad nachempfindet und darüber das arme zerrissene Herz und der „ver-rückte“ Sinn des Gretchens in Szene gesetzt werden, sich dramatisch weiter steigern bis zum ersehnten Kuss – Höhepunkt und dem Vergehen, das die höchste Note markiert, ist schon einzigartig. Mit treffsicherer Musikalität gaben die Musikerinnen tiefgründigen Ausdruck preis, der gerade indem intimen Rahmen von 40 Zuhörern gut ankam. Mehr romantischer Schmerz folgte in „Dämmrung senkte sich von oben“, komponiert von Brahms und Hensel, sowie „Neue Liebe, neues Leben“ von Hensel und Beethoven. Gebündelter Liebesschwang und Todesnähe stellten an die Interpreten höchste Ansprüche, die sie beeindruckend umsetzten und als Duo perfekt harmonierten.

Rheinische Post 9.Oktober 2012

MEZZOSOPRAN

Zehn Jahre “ colla voce” : Umjubeltes Konzert im Zwirnersaal

Wer die Hosen an hat ist im Opern –Metier völlig klar – die Sängerin mit der Stimmlage, die zwischen Alt und Sopran ein dunkleres Timbre bietet und einen etwas tiefer zu ortenden Stimmumfang. Der Part der jungen Mannes in einer Oper wurde von einer Frau gesungen, die in der sogenannten „Hosenrolle“ das jugendliche Alter der Figur im Halbsopran darstellte. Diese Stimmlage wollte Gesine van der Grinten ursprünglich gar nicht erlernen, kam ihr aber im Laufe der Ausbildung immer näher. In einem minimalistischen Bühnenbild von Martin Lersch, der mit wenigen Farben und Materialien die künstliche Welt der Oper andeutete, füllten sich die Kostüme mit Leben. Und als Gesine Lersch – van der Grinten diverse Arien aus bekannten Opern mit ihrer Mezzosopranstimme intonierte, fühlte man sich mittendrin in Szenen aus „ Die Hochzeit des Figaro“ oder „Carmen“. Klavier und Stimme standen sich im Zwirnersaal diagonal gegenüber, was die Tiefe des Klangraumes wesentlich verstärkte. Anja Speh, die anstelle des erkrankten Johannes Hombergen den instrumentalen Teil übernommen hatte , bereitete in ihrer bekannt souveränen Spielweise dem Gesang einen fruchtbaren Boden. Cherubino, der pubertierende Page des Grafen Almaviva in der Oper „ Die Hochzeit des Figaro“ eröffnete in einer wunderbar ausdruckstarken Partie das Programm mit opernarien, das Gesine Lersch – van der Grinten für das zehnjährige Jubiläum der Reihe „colla voce“ im Museum Schloss Moyland zusammengestellt hatte. Schon in der nächsten Opernfigur , der Charlotte aus „Werther“ von Jules Massenet , zeigte gesine Lersch – van der Grinten die zweite Seite der Mezzosopranstimme: das weiblich gefärbte Gesangsbild. Charlotte, von Werther verlassen, blickt in seine Briefe und drückt ihre Angst, das er sich etwas antut, in einer dramatisch-düsteren Stimmung aus.Dramatisch steigerte sich das Welschmerzzentrum in der Arie des Sextus aus „La Clemenza di Tito“ von Mozart. In dieser Hosenrollenarie, die den Verrat thematisiert und überzeugend dargestellt, wie das Duo Lersch – van der Grinten – Speh eine Bühnenatmosphäre ohne Bühne insziniert, manifestiert sich die Zwischenlage des Mezzosoprans innerhalb des weiblichen Stimmumfangs im Gesang. Vollends zu überzeugen wusste das Duo mit der populären Arie „L’amour es tun oiseau rebelle“ aus „Carmen“ von George Bizet, die all das spanische bündelt, was in der Opernwelt unter diesem Begriff verstanden wird: Temperament, Entschlossenheit, Leidenschaft. Vor dem tosenden Beifall durch das begeisterte Publikum offerierte das Programm weitere Arien von Gaetano Donizetti, Henry Purcell, Johann Strauss, Camille Saint – Saens und Gioachino Rossini.

NRZ 12.3.2013

MY THOUGHTS ARE WINGD WITH HOPES

Die stimmungssatten Lautenlieder John Dowlands (1563 – 1626) sind immer wieder Anreiz für Vokalisten, sich mit dem Potential dieser kompositorischen Kleinodien zu befassen. Die Sopranistin Gesine Lersch – van der Grinten bringt im Juni ihre nächste CD „My thoughts are wingd with hopes“ heraus, auf der sie sich, mit Thomas Geisselbrecht als Partner an der Gitarre, ausschließlich der Musik des englischen Komponisten aus elisabethanischer Zeit widmet. Unter den 17 Titeln finden sich die gängigen „Klassiker“ wie „ I saw my Lady weepe“, Time stands still“ und „ Flow my teares“aus den „Book of Songs“, die Dowlands faszinierenden Kosmos traumverlorener, melancholischer Lieder widerspiegeln. Er hat jedoch keineswegs nur verträumte oder betrübte Stücke hinterlassen: auch intensive Bewegtheit wie „ Fine knacks for ladies“ entstammen seiner Feder. Dowlands Kunst ist feingliedrige Musik, die verinnerlicht und verstanden werden will. Die oberflächlich gesehen einfachen Melodielinien mit Ausdruck zu füllen, ohne sie zu überladen, ist das Gebot. Genau das machen die beiden Künstler – und sie verneigen sich, wie sie selbst im Booklet schreiben vor Dowlands Kunst. Gesine Lersch – van der Grintens Stimme ist rein und mit einem passend zur historischen Aufführungspraxis „weißen“Timbre. Ihre makellose Stimmführung erzeugt eine natürliche Strenge, die der Musik zu keinem Zeitpunkt etwas von ihrer Zartheit oder Melancholie nimmt. Die geforderte Textdeutlichkeit setzt sie gekonnt um und die Aufnahme bringt ohne große Raumwirkung die rechte intime Stimmung. Geisselbrecht erweist sich als äußerst zuverlässiger und dezenter Begleiter, der Akzente oder Verzierungen setzt, wenn sie gefordert sind, sonst aber der Sopranistin folgt.Nach jeweils vier Liedern sind seine Solobeiträge „ The Frog Gallard“,“Queen Elisabeth hir Galliard“ oder „A Fancy“ exquisit gespielte Tänzchen als eine gelungene Abwechslung und gelungene Überleitung zum nächsten Lieder- Abschnitt. „My thoughts are wingd with hopes“ ist eine geschmackvolle Umsetzung der Lieder John Dowlands. Das Booklet bietet neben den englischen Originaltexten jeweils eine deutsche Übersetzung und ein kurzes Beiwort. Das Cover ziert eine Zeichnung John Dowlands von Martin Lersch.

RP 25.Mai 2013